19.10.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Taylor Wessing Deutschland.
Das BAG klärt im Zuge dessen, auf welcher Informationsgrundlage Gerichte Boni-Vergütungsklauseln prüfen und ggf. im Zuge einer sog. richterlichen Ersatzleistungsbestimmung ersetzen dürfen.
Boni als Instrumente einer flexiblen Vergütungsstruktur gewinnen in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung. Obschon sie für viele Arbeitnehmer regelmäßig einen festen Lohnbestandteil bilden, müssen deren Höhe und deren Art nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Vielmehr kann sich der Arbeitgeber im Sinne eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vorbehalten, hierüber eine Entscheidung nach eigenem Ermessen zu treffen. Dieser Vorbehalt muss allerdings gesetzlichen Mindestvorgaben genügen: So ist eine entsprechende Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB nur dann wirksam, wenn sie auch von einem sog. „billigen“ Ermessen gedeckt ist. Wird sie von diesem nicht gedeckt, tritt an ihre Stelle eine richterliche Ersatzleistungsbestimmung.
Woran die richterliche Bestimmung einer möglichen Ersatzleistung zu koppeln ist, ist bislang weder inhaltlich, noch prozessual abschließend konkretisiert worden. Feststeht allerdings: Wie alle einseitigen Leistungsbestimmungen unterliegen auch Boni, deren Höhe und Art einseitig vom Arbeitgeber festgelegt werden, der vollen gerichtlichen Überprüfung. Zu der Frage, welchen Wirksamkeitsvoraussetzungen sie nach §§ 305 ff. BGB unterworfen sind und welche prozessualen Besonderheiten der Beweisführung gelten, hat sich das BAG nun geäußert.
Der Kläger war Manager der Beklagten, einer internationalen Großbank, und nahm laut der AGB seines Arbeitsvertrags am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am „Deferral Plan“ über einen kalenderjährlichen Bonus bzw. „Deferral Award“ teil. Über die Höhe der Zahlung sollte die Beklagte nach freiem und alleinigem Ermessen entscheiden. Nachdem der Kläger in den ersten beiden Jahren seiner Anstellung (2009 und 2010) Bonuszahlungen erhielt, wurde ihm im dritten Jahr (2011) gar kein Bonus ausgezahlt, da dieser Bonus von der Beklagten „auf Null“ festgesetzt wurde. Dies rechtfertigte die Beklagte trotz nach wie vor gleichbleibend guter Arbeitsleistungen des Klägers und teilweise an andere Arbeitnehmer ausgezahlten Leistungen schlicht mit dem Rückgang der Unternehmensumsätze.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Auszahlung eines Bonus für das Geschäftsjahr 2011, der der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 52.480,00 Euro brutto betragen soll. Das Arbeitsgericht hat dieser Klage i.H.v. 78.720,00 Euro brutto stattgegeben. Das Berufungsgericht wies die Klage allerdings mit der Begründung ab, dass der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen habe, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglichten. Unter Rüge der vom Berufungsgericht insofern rechtsfehlerhaft vorgenommenen Beweislastverteilung wies das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück.
In seinen Entscheidungsgründen führt das BAG aus, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Bonus und/oder einen „Deferral Award“ für das Geschäftsjahr 2011 hat. Die Versagung einer Bonuszahlung durch die Beklagte entspricht nämlich nicht billigem Ermessen. Die Festsetzung der etwaigen Bonuszahlung „auf Null“ ist daher gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB unverbindlich und durch eine gerichtliche Ersatzbestimmung in Form eines Urteils zu erstsetzen. Dem steht – laut BAG – auch nicht entgegen, dass der zugrundeliegende Arbeitsvertrag die Bonuszahlung grundsätzlich als freiwillige Leistung auszeichnet und eine dem Anspruch entgegenstehende Stichtagsregelung enthält. Denn beide Einwendungen halten einer AGB-Prüfung, vorliegend § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB, nicht stand.
Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung wiederum bestimmt sich auf Grundlage des Vortrags der Parteien bzw. des gesamten Prozessstoffes. Jede Partei sei dabei zwar gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen könne. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinne, so das BAG nachdrücklich, besteht jedoch für keine der beiden Parteien.
Ein fehlender Vortrag des Klägers zur vorgelagerten Frage, ob die Beklagte ihr billiges Ermessen eingehalten hat, ist nach Rechtsauffassung des BAG – in Abgrenzung zum Berufungsgericht – zudem im Rahmen des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu verlangen. Hier ist vielmehr eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers geboten, da die konkreten Berechnungsgrundlagen der Sphäre der Beklagten zuzuordnen und daher auch von ihr dazulegen sind. Von einem Arbeitnehmer könne gerade nicht verlangt werden, zu Umständen vorzutragen, die sich naturgemäß seiner Kenntnis entziehen. Ein fehlender Vortrag des Bestimmungsberechtigten führt folglich nicht zur Entstehung einer besonderen Darlegungslast für den Anspruchsteller.
Die vorliegende Entscheidung überrascht in Anbetracht der bisherigen Grundsätze zur Beweislastumkehr innerhalb einseitiger Informationssphären kaum und setzt die bestehende arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung konsequent fort. Betreffend Boni-Vergütungsklauseln setzt das BAG allerdings erstmalig klar formulierte Vorgaben zu den in einem Streitfall höchst relevanten Darlegungs- und Beweislastfragen zugunsten des Arbeitnehmers. Für Unternehmen bedeutet das: Die Integration eines flexiblen, auf Bonuszahlungen beruhenden Vergütungssystems ist in Zukunft mit einem erhöhten Organisationsaufwand verbunden. Die vorgenannten Grundsätze dürften sich schließlich auch auf alle Bonusfestlegungen und daran geknüpfte Streitigkeiten übertragen lassen, bei denen die Bonuszahlungen zwar nicht „auf Null“ gesetzt werden, jedoch erheblich reduziert werden sollen. Um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, ist es daher ratsam, die Kriterien für Bonuszahlungen möglichst detailliert vertraglich zu definieren. Der Arbeitgeber sollte daher bei Unklarheiten die Klauseln in seinen Standardarbeitsverträgen überarbeiten und anpassen lassen und diese in einem regelmäßigen Turnus einer rechtlichen Prüfung unterziehen.
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 3. August 2016 (Az.: 10 AZR 710/14)
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