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Lieferkette: Arbeitsbedingungen im Gütertransport gehören zur Unternehmensverantwortung

17.09.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Verantwortung in der Lieferkette: Unternehmen müssen nicht nur die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern im Auge haben, sondern auch den Gütertransport, wo etwa auf deutschen Straßen nicht selten problematische Zustände herrschen. Die neue EU-Lieferkettenrichtlinie kann dafür wichtige neue Impulse geben.

Wenn sie vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hören, denken viele an miserable Arbeitsbedingungen in fernöstlichen Fabriken. Doch „ausbeuterische und teilweise gegen Menschenrechte verstoßende Praktiken“ finden sich auch ganz in der Nähe: auf der nächsten Autobahn. Das schreiben Veronique Helwing-Hentschel, Prof. Dr. Martin Franz und Dr. Philip Verfürth vom Institut für Geographie der Universität Osnabrück. Sie haben in einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekt aktuelle Entwicklungen in der Logistikbranche untersucht. Eine ihrer Fragestellungen: Inwieweit können das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die vor dem Inkrafttreten stehende Lieferkettenrichtlinie der EU – Corporate Social Due Diligence Directive, kurz CSDDD – helfen, Verstöße gegen grundlegende Beschäftigtenrechte zu unterbinden?

Die Studie zeigt uns drastisch, wie wichtig es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Transportlogistik ist, dass Deutschland die EU-Lieferkettenrichtlinie umsetzt. Und zwar je schneller, desto besser.
- Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung

79 Prozent der Güterbeförderung in Deutschland werden per LKW erledigt. In der Branche herrschen großer Wettbewerbs- und Kostendruck. Die Digitalisierung hat vieles verändert, Beispiele sind die Auftragsvergabe über Plattformen oder die Echtzeitverfolgung von Lieferungen. Große Spediteure geben Aufträge häufig an Subunternehmen weiter, die sie teilweise abermals weiterreichen. Nur knapp die Hälfte der Transportleistungen wird von in Deutschland ansässigen Unternehmen erbracht. Vor 15 Jahren waren es noch 64 Prozent. LKW-Fahrende, die auf den hiesigen Straßen unterwegs sind, stammen oft aus Polen, Tschechien, Rumänien, Litauen oder aus Ländern außerhalb der EU. Die Löhne sind niedrig, die Arbeitsbelastung ist hoch. Verstöße gegen Arbeits- und Sozialstandards sind besonders in Subunternehmensbeziehungen an der Tagesordnung, so die Forschenden. Die Internationalisierung hat auch damit zu tun, dass sich deutsche Firmen schwertun, Personal zu finden.

„Gerade die Verhandlungsmacht von LKW-Fahrenden aus dem Ausland ist häufig gering“, so Philip Verfürth, da ihre wirtschaftliche Abhängigkeit oft stark ausgeprägt ist. Aber selbst den in Deutschland angestellten LKW-Fahrenden falle es nicht leicht, gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Schon wegen der „hohen Mobilität und räumlichen Verteilung der Arbeitskräfte“, aber auch, weil der gewerkschaftliche Organisationsgrad gering ist und viele kleinere und mittlere Firmen nicht mitbestimmt sind.

Im vergangenen Jahr gab es immerhin zwei Protestaktionen von LKW-Fahrenden in Deutschland, die öffentliche Aufmerksamkeit erzielten. Einmal traten etwa 65 Fahrer*innen, meist aus osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern, in einen wilden Streik und erzwangen die Auszahlung von Löhnen. Beim zweiten Protest beschränkten sich die Beschäftigten nicht darauf, mit ihren beladenen Fahrzeugen auf dem Rastplatz stehenzubleiben, sondern traten teilweise in einen Hungerstreik. Neben der Gewerkschaft ver.di trat in diesem Fall auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf den Plan, um Ansprüche der Beschäftigten durchzusetzen und eine Einigung für die LKW-Fahrenden zu erzielen. Dies war „einer der ersten Anwendungsfälle des LkSG in der Logistik“, so Veronique Helwing-Hentschel, – denn das BAFA ist für die Kontrolle und Durchsetzung des Lieferkettengesetzes zuständig. Die Behörde durchforstete unter anderem Hunderte von Frachtbriefen und anderen Dokumenten.

Allerdings zeigte sich bald, dass „die Konsequenzen für Unternehmen seit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang relativ gering ausfielen“, so die Forschenden. Ändern könnte sich dies, wenn das Gesetz nach den Vorgaben der neuen EU-Richtlinie angepasst wird. Vor allem aus zwei Gründen: Erstens müssen Unternehmen dann auch mittelbare Geschäftspartner – etwa Subunternehmen – proaktiv auf die Einhaltung von Standards überprüfen. Zweitens können Verstöße dann mit schärferen Sanktionen geahndet werden.

Dies dürfte Unternehmen dazu veranlassen, für mehr Transparenz in den Transportlieferketten zu sorgen, erwarten Helwing-Hentschel, Franz und Verfürth. Dazu könnten auch ohnehin aufgezeichnete Daten verwendet werden, die etwa Aufschluss über die Einhaltung von Ruhezeiten geben. Dabei sei ein sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten wichtig, betonen die Forschenden. Zudem bedürfe es „einer Verschlankung der bisher sehr aufwendigen behördlichen Vorgänge zur Feststellung von Regelverstößen im internationalen Straßengütertransport“.

Weiterhin bräuchten LKW-Fahrende eine bessere Versorgungsinfrastruktur, um etwa die seit 2022 verbotene, aber dennoch häufig praktizierte und wenig erholsame Übernachtung in der Fahrerkabine auf der Autobahnraststätte zu unterbinden. Schließlich plädieren die Forschenden für den Auf- oder Ausbau von – beispielsweise gewerkschaftlichen – Beratungsinfrastrukturen. „Denn die Umsetzung von Sorgfaltspflichten setzt voraus, dass Beschäftigte in Transportlieferketten ihre Rechte kennen und sichere Wege aufgezeigt bekommen, diese einzufordern.“

Bild: Acton Crawford (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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