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Tarifliche Ausschlussfrist nicht durch bloße Klageerhebung gewahrt

02.05.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Das BAG befasste sich mit der Frage, ob eine einfache tarifliche Ausschlussfrist für die außergerichtliche, schriftliche Geltendmachung einer Forderung auch dann gewahrt wird, wenn die Klageschrift, mit der der Anspruch erstmalig geltend gemacht wird, zwar vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist, dem Anspruchsgegner aber erst nach Ablauf der Frist zugestellt worden ist.

Einleitung

Ausschluss- oder Verfallfristen sind im Arbeitsrecht weit verbreitete Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen. Sind sie (in zulässiger Weise) vereinbart und werden sie nicht eingehalten, so erlischt der Anspruch. Ausschlussfristen dienen der Beschleunigung der Abwicklung der wechselseitigen Ansprüche und der Vermeidung von Nachweisproblemen. Sie gehen in ihrer Wirkung wesentlich weiter als die normalen gesetzlichen Verjährungsfristen. Verfallfristen dienen letztlich dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit in einem Vertragsverhältnis.

Ausschlussfristen sind in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen zu finden. So sind sie in den Tarifverträgen für die meisten Branchen enthalten. Häufig schreiben die entsprechenden Klauseln vor, dass die Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Anspruchsgegner schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die Geltendmachung einer Forderung verlangt, dass der Schuldner ernsthaft vom Gläubiger zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert wird. In Bezug auf die Wahrung der Form („schriftlich“) herrscht Einigkeit darüber, dass auch die Geltendmachung im Wege einer Klage eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs darstellt. Umstritten ist jedoch, ob in Fällen, in denen die tarifliche Ausschlussfrist durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden kann, § 167 ZPO anwendbar ist, mit der Folge, dass bereits durch Klagerhebung die Frist gewahrt wird. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht für tarifliche Ausschlussfristen nun in seiner Entscheidung vom 16. März 2016 beantwortet.

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von seinem Arbeitgeber, der Beklagten, für den Monat Juni 2013 die Zahlung einer Entgeltdifferenz. Diesen Anspruch machte er erstmals durch Klageerhebung geltend. Die Klage ging bei Gericht am 18. Dezember 2013 ein und wurde dem beklagten Arbeitgeber am 7. Januar 2014 zugestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anwendbar. In § 37 S. 1 des Tarifvertrages heißt es wörtlich:

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.“

Der Kläger vertrat die Auffassung, zur Wahrung dieser Ausschlussfrist habe der fristgerechte Eingang der Klageschrift bei Gericht ausgereicht. § 167 ZPO sei auch auf die Einhaltung tariflicher Ausschlussfristen anzuwenden. Die Beklagte war der Ansicht, es komme bei außergerichtlichen Fristen allein auf den tatsächlichen Zugang des Geltendmachungsschreibens an.

Entscheidung

Die Vorinstanzen, das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (23 Sa 232/15), haben der Klage stattgegeben und damit § 167 ZPO auch auf tarifliche Ausschlussfristen, die eine bloße schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen vorsehen, für anwendbar erklärt. Das Bundesarbeitsgericht folgte dieser Auffassung der Vorinstanzen nicht. Die Revision des beklagten Arbeitgebers hatte Erfolg. In seinen – bisher nur als Pressemitteilung vorliegenden – Entscheidungsgründen führt das Bundesarbeitsgericht aus, § 167 ZPO findet für die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung keine Anwendung. Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfrist, innerhalb derer ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, so reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben in Form der Klageschrift vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist.

Die Klage muss vielmehr auch noch innerhalb der Frist dem Anspruchsgegner zugestellt werden. Entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. Die Ausschlussfrist wurde daher in dem konkreten Fall nicht gewahrt. Die Forderung des Klägers hätte bis zum 30. Dezember 2013 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht werden müssen. Der Eingang der Klageschrift bei Gericht am 18. Dezember 2013 reichte zur Fristwahrung nicht aus. Die Zustellung der Klageschrift bei dem beklagten Arbeitgeber am 7. Januar 2014 war verspätet und die Klage daher abzuweisen.

Praxishinweis

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung und legt erneut dar, der Gläubiger einer Forderung hat sich den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen. § 167 ZPO findet keine Anwendung.

Doch das Ergebnis des Bundesarbeitsgerichts in seiner aktuellen Entscheidung vom 16. März 2016 war alles andere als (klar) vorhersehbar. Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht schon in früheren Entscheidungen ausgeführt, die Klageerhebung ersetze die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs nur, wenn die Klage auch innerhalb der Frist zugestellt werde. § 167 ZPO finde mangels Erforderlichkeit einer Klage keine Anwendung (Urteil vom 19.06.2007 – 1 AZR 541/06). Allerdings wurde in den letzten Jahren insbesondere in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Frage, ob § 167 ZPO nicht doch im Rahmen der schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung von (einfachen) Ausschlussfristen Anwendung finden könne, erneut „zum Leben erweckt“, vermehrt diskutiert und teilweise bejaht.

Mit seiner Entscheidung vom 22. Mai 2014 (8 AZR 662/13) war es schließlich das Bundesarbeitsgericht selbst, das Anlass dazu gab, sich erneut intensiver mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Hier bejahte es die Anwendbarkeit von § 167 ZPO auf die gesetzliche Zweimonatsfrist zur außergerichtlichen, schriftlichen Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach dem AGG. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf übertrug schließlich im September 2014 die Argumente des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen der vorgenannten Entscheidung zum AGG auf arbeits- und tarifvertragliche Ausschlussfristen und kam so zu dem Ergebnis, § 167 ZPO finde auf einfache arbeits- sowie tarifvertragliche Ausschlussfristen Anwendung (Urteil vom 12.09.2014 – 10 Sa 1329/13). Es führte aus, hier, d. h. im Rahmen der vertraglichen Ausschlussfristen, wie dort, d. h. im Rahmen der Frist zur außergerichtlichen Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG, sprächen Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für eine Anwendung des § 167 ZPO.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. März 2016 zeigt ein weiteres Mal, welches Risiko Ausschlussfristen in sich bergen und, wie wichtig es ist, frühzeitig entsprechende Ansprüche gegenüber dem Vertragspartner geltend zu machen. Dies gilt insbesondere auch für die Arbeitgeberseite, da entsprechende arbeitsvertragliche oder tarifliche Ausschlussfristen regelmäßig für beide Vertragsparteien gleichermaßen zur Anwendung kommen.

BAG, Entscheidung vom 16. März 2016 (4 AZR 421/15)


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