29.08.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: IBR Immobilien & Baurecht.
WEG § 18 Abs. 1
In dem Rechtsstreit (...) beschließt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg - Abteilung 980b - durch den Richter ### am Amtsgericht am 20.01.2023:
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a Abs. 1 ZPO, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Danach entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Es entspricht im Streitfall billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, weil sie mit Wahrscheinlichkeit bei streitigem Fortgang des Rechtsstreits hier unterlegen gewesen wäre.
a) Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Im August, September und Oktober 2022 forderte die Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, die Verwaltung der Beklagten jeweils per E-Mail (s. Anlagen K1, K2 und K3) auf, eine aktuelle Eigentümerliste zu übersenden, zuletzt mit Fristsetzung bis zum 04.11.2022. Die Verwaltung der Beklagten reagierte darauf nicht. Mit ihrer Klage vom 18.11.2022, der Beklagten zugestellt am 02.12.2022, hat die Klägerin angekündigt zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über Namen (Vor- und Nachnamen) und aktuelle Anschriften aller Miteigentümer der Beklagten, die in der Eigentümerliste per 04.11.2022 aufgeführt wurden, zu erteilen. Zur Begründung hat die Klägerin angeführt, dass sie einen klagbaren Anspruch auf eine Eigentümerliste aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG habe und dass es Aufgabe der Beklagten sei, diese zu erstellen. Sie habe ferner einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft darüber, wer außer ihr noch zur Gemeinschaft gehöre, und zwar ohne Angabe von Gründen dafür. Auf Verlangen müsse die Beklagte, vertreten durch ihre Verwaltung, also eine Eigentümerliste aus ihrem Datenbestand generieren und schriftlich oder elektronisch vorlegen. Dazu gehörten sowohl die Namen als auch die Adressen der Wohnungseigentümer. Mit Schriftsatz vom 05.12.2022 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Verwaltung der Beklagten habe am selben Tag - was unstreitig ist - die geforderte Auskunft durch Übersendung einer aktuellen Eigentümerliste (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 05.12.2022) erfüllt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen und macht geltend, dass der Klägerin lediglich ein Einsichtsrecht zugestanden habe, nicht aber ein Anspruch auf Übermittlung der Eigentümerliste. Weshalb die Klägerin dieses Einsichtsrecht nicht bei ihrer Verwaltung geltend gemacht habe, wisse sie nicht.
b) Die Klage war zwar ursprünglich zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stand kein Anspruch auf Übersendung einer Eigentümerliste gegen die Beklagte zu. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte, zu vollziehen durch ihre Verwaltung, verpflichtet ist, eine sog. Eigentümerliste aufzustellen und (aktualisiert) zu führen; die Erfüllung dieser - ungeschriebenen - Verwaltungspflicht kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft nach § 18 Abs. 1 WEG beanspruchen (vgl. nur Elzer, in: BeckOK-WEG, 50. Ed. [30.9.2022], § 18, Rn. 34 unter Hinweis auf BGH, NZM 2018, 685 = ZMR 2018, 839 [zur Rechtslage vor dem 01.12.2020]; Dötsch, in: Bärmann, WEG, 15. Aufl. 2023, § 18, Rn. 287E). Dass die Beklagte bzw. ihre Verwaltung dieser Pflicht vorliegend nicht nachgekommen ist, ist aber weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Soweit es der Klägerin - vorgerichtlich wie auch mit ihrer Klage - darum ging, von dem Inhalt der Liste Kenntnis zu erlangen bzw. zu erhalten, konnte sie von der Beklagten allerdings nicht verlangen, dass diese ihr die Liste - schriftlich oder elektronisch - vorlegt oder übersendet. Es mag sein, dass nach der vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I 2020, 2187) geltenden Rechtslage, insbesondere im Zusammenhang mit einem anhängigen Beschlussanfechtungsverfahren sowie auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. und § 142 Abs. 1 ZPO, die "Vorlage" einer Eigentümerliste als Form einer Auskunft durch die Verwaltung einer Gemeinschaft (deren Mitglieder in der Rolle der Beklagten waren und die anhand einer solchen Liste namhaft gemacht werden konnten) vom (Anfechtungs-)Kläger - im Prozess - eingefordert werden konnte (vgl. dazu etwa nur BGH, NZM 2018, 685 = ZMR 2018, 839; NZM 2013, 126, 127 = ZMR 2013, 291); eine "Herausgabepflicht" vor Anhängigkeit eines Prozesses - aus materiell-rechtlichen Gründen - ist ebenfalls angenommen worden (etwa Drasdo, NZM 2009, 724, 726).
Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage ist allerdings allgemein der Vorrang (der "Primat") der Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, die jeder Eigentümer nach § 18 Abs. 4 WEG von der Gemeinschaft verlangen kann, zu beachten (vgl. dazu etwa nur LG Frankfurt/Main, NZM 2021, 809, Rn. 5; Dötsch, a.a.O., Rn. 122). Das gilt nach Auffassung des erkennenden Gerichts nunmehr auch für den hier in Rede stehenden Fall, in dem eine Miteigentümerin von der Verwaltung ihrer Gemeinschaft die Hergabe bzw. Übersendung einer - aktuellen - Eigentümerliste verlangt. Der Gesetzgeber hat diesen Anspruch als einen "zentralen Teil der Informationsrechte der Wohnungseigentümer" angesehen und gesetzlich normiert (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 60). Von "Verwaltungsunterlagen", in die Einsicht genommen werden kann, werden "alle Dokumente, die für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums relevant sind" erfasst, wobei es auf die jeweilige Form - Papierdokument oder digitales Dokument - nicht ankommt (a.a.O.). Gemeint sind also alle Dokumente, die die Gemeinschaft führt oder für sich führen lässt, mit Ausnahme von persönlichen Dokumenten des Verwalters (s. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, § 5, Rz. 369). Der Ort für die Erfüllung der Verpflichtung nach § 18 Abs. 4 WEG ist im Gesetz nicht geregelt, so dass es dafür grundsätzlich - entsprechend § 269 Abs. 1 BGB - auf den Sitz der Verwaltung ankommt (vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 2021, Kap. 5, Rn. 27). Hinsichtlich des "Wie" der Einsichtnahme ist - bei Dokumenten in Papierform - grundsätzlich das Original vorzulegen (vgl. nur BGH, NJW 2022, 772 = ZMR 2022, 280 zum Belegeinsichtsrecht des Mieters) und bei digitalen Daten eine Sichtbarmachung auf einem Endgerät zu ermöglichen; ferner ist die den Einsichtnehmenden Fertigung und Aushändigung von (digitalen) Kopien zu gestatten (vgl. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl. 2022, § 10, Rn. 251).
Bezogen auf eine bei der Verwaltung der Gemeinschaft geführte Eigentümerliste - sei es in Papierform oder digital - gilt nichts anderes. Dabei handelt es sich um einen Teil der "Verwaltungsunterlagen", die für die Gemeinschaft geführt werden (müssen) und die am Sitz der Verwaltung nach obiger Maßgabe Einsicht genommen werden kann. Eine Verpflichtung zur "Herausgabe" der Liste in Form der Übersendung bzw. Übermittlung an einen Eigentümer besteht für die Verwaltung indessen nicht, selbst wenn dies - gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung - zu einer Zeit- und Kostenersparnis sowohl für Anspruchsteller als auch für die Verwaltung führen kann (anders aber etwa Greiner, a.a.O., Rn. 252, der es als "Schikane" ansieht, den Eigentümer "antanzen" zu lassen). Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zwar war für bestimmte Konstellationen anerkannt, dass aus dem Einsichtsrecht des Wohnungseigentümers auch eine Verpflichtung der Verwaltung folgen kann, Ablichtungen der Verwaltungsunterlagen (gegen Kostenerstattung) zu übersenden, etwa wenn eine rechtzeitige Gewährung der Einsicht - beispielsweise vor einer Eigentümerversammlung - nicht mehr ermöglicht werden kann (s. dazu BGH, NZM 2011, 279, 280, Rz. 11 = ZMR 2011, 489). Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob aus solchen Einzelfällen mittlerweile ein Regelfall geworden ist (dafür Greiner, a.a.O.). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass es der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, persönlich Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu nehmen, zumal sich sowohl ihr eigener Sitz als auch der der Verwaltung in derselben politischen Gemeinde (Hamburg) befinden und lediglich etwa 5 km bzw. 10-15 Minuten Fahrminuten voneinander entfernt sind. Weder der vorgerichtlichen Korrespondenz noch dem Prozessvortrag lässt sich ferner entnehmen, dass eine Einsichtnahme in den Räumen der Verwaltung wegen drohenden Rechtsverlusts für die Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht mehr zumutbar gewesen ist. Und das Angebot einer Kostenerstattung für die Übersendung der Liste bzw. der entsprechenden Beauskunftung ist weder den vorgerichtlichen Aufforderungen nebst Fristsetzung noch dem Klageantrag zu entnehmen. Es verblieb demgemäß hier beim Anspruch auf Einsichtnahme. Das folgt aus Rechtsgründen im Übrigen ferner daraus, dass die (prozessuale) Pflicht der Verwaltung, eine Eigentümerliste vorzulegen, nach Maßgabe von § 44 Abs. 2 S. 1 WEG n.F. obsolet geworden ist, weswegen daraus auch nicht mehr indiziell auf eine materielle Pflicht geschlossen werden kann.
Hinsichtlich der vorliegend zu treffenden Kostenentscheidung unter Billigkeitsgesichtspunkten ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die Beklagte die Klageforderung nach Zustellung der Klage an sie wenige Tage später sogleich erfüllt hat. Zwar kann eine freiwillige Erfüllung der Klageforderung so zu werten sein, dass sich die beklagte Partei damit auch freiwillig in die Rolle des Unterlegenen i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO begibt (s. dazu Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 91a, Rn. 23). Diese Konsequenz ist indes nicht zwingend (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 943) und im Streitfall kommt insoweit eher der in § 93 ZPO niedergelegte Rechtsgedanke (zur Anwendbarkeit etwa BGH, NJW-RR 2006, 773, 774) zum Tragen, wonach die beklagte Partei die Kosten dann nicht zu tragen hat, wenn sie sogleich erfüllt und keine Veranlassung zur Klage gegeben hat. Letzteres war hier der Fall, weil die Klägerin gegen die Beklagte, vertreten durch ihre Verwaltung, keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Auskunftserteilung hatte (s.o.).
2. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 3 ZPO. Das vermögenswerte Interesse der Klägerin an der beanspruchten Auskunft schätzt das Gericht - auf Grundlage ihres eigenen Vorbringens - auf 1.000,00 Euro (s. etwa auch Gericht, Beschluss vom 05.08.2021 - 980a C 25/21 WEG, ZMR 2021, 847; Elzer, in: Toussaint, ZPO, 52. Aufl. 2022, § 3, Rn. 23: "Verwaltungsunterlagen").
Bild: Mikhail Nilov (Pexels, Pexels Lizenz)