24.09.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: XING Deutschland.
Die große Mehrheit der Unternehmen (84 %) hat zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Als Folge davon sagen drei Viertel (75 %) der Personalsuchenden, dass der Druck auf sie in diesem Jahr noch zugenommen habe, fast zwei Drittel (63 %) empfinden dadurch hohe emotionale Belastung und Stress. Das geht aus dem neuen XING Arbeitsmarktreport 2024 hervor, für den das Marktforschungsinstitut Appinio 300 Recruiter in Deutschland im Rahmen einer Online-Umfrage befragt hat.
Der Fach- und Arbeitskräftemangel ist in deutschen Unternehmen längst Alltag. Der Langzeitvergleich zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt trotz der aktuell schwierigeren wirtschaftlichen Lage weiter zugunsten von Jobsuchenden entwickelt. Denn in den letzten zehn Jahren ist die Arbeitslosenquote um 50 Prozent gesunken und die Anzahl offener Stellen mit 46 Prozent fast genauso stark gestiegen. Die durchschnittliche Vakanzzeit über alle Berufe hinweg hat sich seit 2014 verdoppelt und liegt bei 148 Tagen. Das hat Auswirkungen auf den Arbeitsalltag von Recruitern: 86 Prozent sagen, dass es seitens der Unternehmensführung hohe Erwartungen und Anforderungen an sie gebe, für 83 Prozent bedeutet der Fachkräftemangel einen höheren administrativen Aufwand. Als Konsequenz daraus fühlen sich Deutschlands Personaler zunehmend unter Druck, 63 Prozent klagen über hohe emotionale Anspannung und Stress. „Viel von dem Druck, den Unternehmen wegen des Fachkräftemangels spüren, wird an die HR-Verantwortlichen weitergegeben. Sie haben aber oft begrenzten Handlungsspielraum und wenig Mittel zur Verfügung, um ihm entgegenzuwirken“, sagt Thomas Kindler, Managing Director von XING. „Unternehmensführungen müssen in enger Zusammenarbeit mit ihren Personalabteilungen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Arbeitnehmer erwarten flexible Arbeitszeitregelungen, faire Entlohnung und eine gute Work-Life-Balance.“
Zur Belastung trägt auch bei, dass diejenigen, die in HR-Abteilungen für das Recruiting zuständig sind, viele administrative Aufgaben erledigen müssen. Zwar investieren sie rund die Hälfte ihrer Zeit (jeweils 49 %) mit der Identifizierung geeigneter Kandidaten durch die Sichtung eingehender Bewerbungen beziehungsweise der Organisation und Durchführung von Vorstellungsgesprächen, aber die Vor- und Nachbereitung kostet sie rund ein Drittel ihrer Zeit: Dazu gehören das Screening von Bewerbungen und Lebensläufen (37 %), die Recherche geeigneter Kandidaten und aktive Ansprache (36 %), Onboarding-Prozesse und administrative Aufgaben für neue Mitarbeiter (35 %) sowie die Dokumentation und das Reporting von KPIs zum Beispiel zu Erfolgskontrolle, Time to hire, Drop-out Rate, Application Conversion Rate oder Cost per Hire (28 %). „Künstliche Intelligenz kann für HR-Verantwortliche eine hilfreiche Unterstützung sein, um Prozesse zu automatisieren oder Stellenausschreibungen schneller zu erstellen“, sagt Thomas Kindler. „Gerade die administrativen Zeitfresser können so wirkungsvoll reduziert werden und schaffen Raum für die Kernkompetenzen von Recruitern.“
Genau das steht auch auf deren Wunschzettel. Jeweils 42 Prozent hätten gerne mehr Zeit für die Identifizierung geeigneter Kandidaten und die Organisation und Durchführung von Vorstellungsgesprächen, und 36 Prozent würden gerne ihr Active Sourcing, also die eigenständige Suche nach neuen Mitarbeitern, ausbauen.
Der Fachkräftemangel erschwert den Recruitingprozess aber auch mit Blick auf die Bewerber: 46 Prozent der HR-Verantwortlichen bejahen die Aussage, dass es durch den Fachkräftemangel eine große Unverbindlichkeit der Kandidaten gibt (z.B. Ghosting, schlechte Erreichbarkeit, Absage nach Zusage, geringe Rückmeldungen von aktiv angesprochenen Kandidaten). 20 Prozent haben schon häufig oder sehr häufig Erfahrungen mit Ghosting gemacht, weitere 58 Prozent gelegentlich. Zusätzlich berichten 58 Prozent der Befragten von zunehmend höhere Erwartungen der Bewerber an Jobbedingungen, Unternehmenskultur und Benefits. Dazu gehören flexible Arbeitszeitgestaltung, Sabbaticals oder Workation. Darüber hinaus ist Schnelligkeit gefragt. Für den XING Arbeitsmarktreport befragte Appinio auch 2.000 Beschäftige in Deutschland. Und dabei zeigt sich: Die meisten Kandidaten wünschen sich einen zügigen Bewerbungsprozess und Rückmeldung innerhalb von ein bis zwei Wochen. Für längere Responsezeiten sinkt die Zustimmung rapide. Für Bewerber sind fehlende Rückmeldungen (41 %), lange Wartezeiten (36 %) und intransparente Gehaltsangaben (30 %), aber auch aufwändige und langwierige Bewerbungsprozesse (26 %) die größten Nervfaktoren bei der Jobsuche – so entsteht zusätzlich Druck auf die Personaler.
Für die meisten befragten Personalverantwortlichen ist das Finden neuer Mitarbeitender der relevanteste Punkt in der Jahresplanung. Active Sourcing wird dabei von 88 Prozent als eher bis sehr wichtig bewertet; nur 2 Prozent betreiben überhaupt kein Active Sourcing. Für 30 Prozent steht die Bekämpfung des Fachkräftemangels ganz oben auf der To Do-Liste. Dazu gehört die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und Angebote wie Remote Work oder neue Arbeitszeitmodelle (47 %) sowie die Intensivierung von Weiterbildungsangeboten für das Recruitingteam, um den Herausforderungen des Fachkräftemangels besser begegnen zu können (41 %). Auch schnellere und effizientere Recruitingprozesse stehen bei vier von zehn Befragten (37 %) auf der Agenda. „Die Transformation der Arbeitswelt braucht smartes Recruiting, eine neue Art der Jobsuche und flexible Arbeitsmodelle“, unterstreicht Thomas Kindler. „Recruiting ist ein Erfolgsfaktor. Die Verantwortung dafür darf nicht nur auf den Schultern der Personalabteilung liegen, sondern muss in der Unternehmensführung strategisch verankert sein.“
Bild: fauxels (Pexels, Pexels Lizenz)
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