Nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um Abschreibungen anzusetzen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind im Falle abnutzbaren Anlagevermögens die Bemessungsgrundlage für die planmäßigen Abschreibungen, § 253 Abs. 3 HGB.
Vermögensgegenstände sind im Zeitpunkt ihrer Fertigstellung, d.h. mit Beendigung des Herstellungsprozesses und Beginn der Nutzungsfähigkeit, mit ihren Herstellungskosten zu aktivieren, § 253 Abs. 1 HGB.
Der Umfang der Herstellungskosten ist in § 255 Abs. 2, Abs. 2a und 3 HGB geregelt.
Herstellungskosten finden sich in der Praxis vornehmlich bei den unter den Vorräten ausgewiesenen unfertigen und fertigen Erzeugnissen, d.h. bei den im Gegensatz zu Handelswaren eigengefertigten Produkten. Daneben kann vom Kaufmann aber auch eine Betriebsanlage oder ein Gebäude als Teil des Anlagevermögens selbst hergestellt werden (sog. aktivierte Eigenleistungen).
Die ermittelten Herstellungskosten sind zu aktivieren und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer in Form von planmäßigen Abschreibungen als Aufwand auf die nachfolgenden Perioden zu verteilen, sofern es sich um einen abnutzbaren Vermögensgegenstand des Anlagevermögens handelt.
Unter Herstellung wird die Schaffung eines Vermögensgegenstands verstanden, den der Unternehmer auf eigene Rechnung und Gefahr herstellt oder herstellen lässt und bei dem er das Herstellungsgeschehen beherrscht, vgl. BFH vom 8. Oktober 1991, BStBl II 1992 S. 17.
Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. In dieser Definition finden die steuerrechtlichen Gedanken ihren Niederschlag, da das Handelsrecht hier Rückgriff auf die steuerrechtliche Rechtsprechung nimmt, vgl. H 6.3 „Herstellungskosten“ EStH und BFH vom 4. Juli 1990, BStBl II S. 830.
Herstellung bedeutet dabei in erster Linie die Neuschaffung eines bisher noch nicht bestehenden Vermögensgegenstands. Sind bereits Vermögensgegenstände vorhanden, kann es zu sog. nachträglichen Herstellungskosten kommen.
Aktivierungsfähige nachträgliche Herstellungskosten grenzen sich von gewinnmindernd verbuchten Erhaltungsaufwendungen dadurch ab, dass durch sie der Vermögensgegenstand über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert bzw. im Wesen verändert (z.B. Umbau von Wohnungen in Büros) oder erweitert wird („Wertanreicherung“).
Während die Anschaffung auf einen Zeitpunkt bzw. ein Datum bezogen ist, umfasst die Herstellung einen Zeitraum. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann die Herstellung beginnt bzw. endet. Planungen (z.B. Baupläne), Konstruktionen und Vorbereitungshandlungen (z.B. das Einholen von Genehmigungen) zählen ebenso zum Herstellungsprozess wie die eigentliche (produktionstechnische) Herstellung. Allein in der Beschaffung von Werkstoffen ist laut IDW RS HFA 31 jedoch noch nicht der Beginn des Herstellungsvorgangs zu sehen.
Kosten, die während der Unterbrechung der Herstellung – z.B. aufgrund einer Auftragsstornierung seitens des Kunden – entstehen, zählen nach IDW RS HFA 31 im Grundsatz nicht zu den Herstellungskosten. Wird der Herstellungsprozess hingegen wie z.B. im Falle eines Gebäudebaus bei einem starken Wintereinbruch durch äußere Einflüsse unterbrochen, gehören die im Zusammenhang damit anfallenden Kosten (z.B. Wachdienst, Beheizung) zu den Herstellungskosten.
Die Herstellung endet zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Nutzung möglich ist; ob die Nutzung tatsächlich unmittelbar anschließend beginnt, ist unerheblich.
Werden wesentliche Teile abgenutzter, verbrauchter oder zerstörter Vermögensgegenstände durch eine Generalüberholung wieder für das Unternehmen nutzbar, liegt die Herstellung eines neuen Vermögensgegenstandes vor.
Bei der Zuordnung der Aufwendungen zu den Herstellungskosten kommt es auf die Zweckrichtung der Aufwendungen als sog. finales Element an, vgl. BFH, BStBl II 1984, S. 101 und BStBl II 1988 S. 431.
§ 255 HGB | |
Pflicht: |
Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Sondereinzelkosten der Fertigung Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten Abschreibungen Entwicklungskosten, sofern die Herstellung eines Vermögensgegenstand sicher ist |
Wahl: |
allgemeine Verwaltungskosten Aufwendungen für soziale Leistungen Aufwendungen für betriebliche Altersversorgung Fremdkapitalzinsen (unter bestimmten Voraussetzungen) |
Verbot: |
Vertriebskosten Forschungskosten |
Die handelsrechtlichen Herstellungskosten basieren auf dem pagatorischen Kostenbegriff; kalkulatorische Kosten wie z.B. kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Miete oder kalkulatorischer Unternehmerlohn dürfen entsprechend nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden.
Ist der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt, gehört die abziehbare Vorsteuer nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, § 9b EStG.
Der Gesetzgeber unterscheidet in § 255 Abs. 2 HGB zwischen aktivierungspflichtigen und aktivierungsfähigen Kostenbestandteilen. Zu den aktivierungspflichtigen Herstellungskosten zählen die Materialeinzelkosten, die Fertigungseinzelkosten und die Sondereinzelkosten der Fertigung.
Daneben werden auch solche Aufwendungen hinzugerechnet, die in Abhängigkeit von der Erzeugnismenge variieren. Dazu zählen auch die Material- und die Fertigungsgemeinkosten sowie der Werteverzehr des Anlagevermögens, soweit er durch die Fertigung veranlasst ist.
Das „variieren“ ist nicht so zu verstehen als handle es sich hierbei ausschließlich um variable Kostenbestandteile. Vielmehr sind in Anlehnung an die IFRS-Rechnungslegung hierunter Gemeinkosten zu fassen, die sowohl fixe wie auch variable Bestandteile tragen. Eine Orientierung an die Definition in IAS 2.10 und IAS 2.12 zeigt den eigentlichen Gedanken.
Mit § 255 Abs. 2 S. 3 HGB wird dem Kaufmann ein Wahlrecht eingeräumt. Er kann in die Herstellungskosten solche Aufwendungen, die unabhängig von der Erzeugnismenge anfallen, einrechnen, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Sind somit nur mittelbar zurechenbare Kosten gegeben, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen, sind diese zurechenbar. Der Gesetzgeber nennt hierbei die Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige soziale Leistungen und Aufwendungen der betrieblichen Altersversorgung.
Für die Zurechnung zu den Herstellungskosten ist immer Voraussetzung, dass die genannten Aufwendungen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen und angemessen sind. Angemessen sind die Kosten, die nach vernünftigen betriebswirtschaftlichen Kriterien zurechenbar sind. Bei der Bestimmung der Angemessenheit können die Regelungen der IFRS Richtschnur sein. Nach IAS 2.13 erfolgt die Zurechnung der Produktionsgemeinkosten auf Basis der normalen Kapazität. D.h. ein Produktionsvolumen, das im Durchschnitt über eine Anzahl von Perioden oder Saisons unter normalen Umständen und unter Berücksichtigung von Ausfällen aufgrund planmäßiger Instandhaltungen ermittelt wird. Somit fallen ungewöhnlich hohe, betriebsfremde, periodenfremde und außergewöhnliche Kosten nicht unter den Herstellungskostenbegriff. Insbesondere sog. Leerkosten – der Teil der Fixkosten, der auf die ungenutzte Kapazität entfällt – dürfen nicht mit in die Herstellungskosten einbezogen werden, da die Vermögensgegenstände sonst zu hoch bewertet würden.
Über die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG, werden die Ansatzkriterien ins Steuerrecht übernommen. Es ist jedoch der Bewertungsvorbehalt zu beachten, § 5 Abs. 6 EStG. Damit unterliegen immaterielle Wirtschaftgüter des Anlagevermögens einem Aktivierungsverbot, sofern sie unentgeltlich erworben (hergestellt) wurden, § 5 Abs. 2 EStG. Bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB in der Handelsbilanz ergeben sich entsprechend latente Steuern nach § 274 HGB.
Die handelsrechtliche Definition der Herstellungskosten ist inhaltlich mit der des Steuerrechts identisch, R 6.3 EStR. Im Steuerrecht kommt ebenso der pagatorische Ansatz zum Tragen, damit scheiden kalkulatorische Kosten aus.
Auch steuerrechtlich müssen neben den Material-und Fertigungseinzelkosten die dazugehörigen Gemeinkosten aktiviert werden.
Als Wertverzehr des Anlagevermögens ist grundsätzlich der Betrag anzusetzen, der bei der Bilanzierung des Anlagevermögens als Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen ist, R 6.3 Abs. 3 S. 1 EStR. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Steuerpflichtige, der bei der Bilanzierung des Anlagevermögens die degressive AfA vorgenommen hat, bei der Berechnung der Herstellungskosten der Erzeugnisse die lineare AfA berücksichtigt, R 6.3 S. 2 EStR.
Auszüge aus einem Beitrag von Oliver Glück
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